Malva Schalek

Malva Schalek

Malerin ein Leben lang

Manchmal stößt man nur durch Zufall auf Frauen, die bedeutendes geleistet haben, in ihrem Beruf anerkannt waren und die es verdienen, dass man sich man sie erinnert. Es war der Name eines Gemeindebaus in Wien, der nach Malva Schalek benannt ist und mich dazu angeregt hat, mehr über diese Frau in Erfahrung zu bringen.

Malva Schalek, Selbstporträt. Quelle: Wikimedia Commons https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Queue_for_food.jpg

Malva Schalek (1882-1944) wurde als jüngstes von vier Kindern einer deutsch-jüdischen Familie in Prag geboren. Der Vater besaß im 1. Bezirk in Prag eine Buchhandlung, die auch ein wichtiger Treffpunkt von Intellektuellen war. Nach seinem Tod im Jahr 1889 führte die Mutter die Buchhandlung einige Jahre weiter und gestaltete in dieser Zeit auch eine Art literarischen Salon. Malva Schalek wuchs zweisprachig auf und besuchte in Prag deutschsprachige Schulen. Als ihre Mutter den Arzt Dr. Ludwig Schnitzer heiratete und die Familie nach Hohenelbe im Riesengebirge zog, absolvierte sie dort die letzte Klasse der Mädchenoberschule.

Da sich bereits sehr früh ihr künstlerisches Talent gezeigt hatte und ihrer Familie ihre Berufswahl unterstützte, übersiedelte sie im Jahr 1901 nach Wien, wo sie ihr Kunststudium in privatem Rahmen bei der Porträtmalerin Marie Olga Rosenthal-Hatschek (1869-1942) und durch das Kopieren der Bilder der alten Meister fortsetzte. In Wien wurde sie von Familienmitgliedern unterstützt, besonders von ihrem Onkel Carl und ihrer Tante Emma Richter, bei denen sie lebte, und von ihrem Onkel Joseph von Simon. Dieser ermöglichte ihr auch, für ein Jahr nach München an die Damenakademie, einer Mal und Zeichenschule für Frauen, zu gehen. Da Frauen der Zutritt zu den Kunsthochschulen damals verwehrt war (in München bis 1920), hatte der im Jahr 1882 in München gegründete Künstlerinnen-Verein bereits im Jahr 1884 die Damenakademie gegründet, die Frauen eine fundierte Ausbildung ermöglichte.

Joseph von Simon war Industrieller und Bankier und eine Zeit lang auch Mitbesitzer des Theaters an der Wien. Da er sehr stolz auf das künstlerische Schaffen seiner Nichte war, die sich zu dieser Zeit bereits einen Namen als Porträtmalerin gemacht hatte, richtete er ihr nach ihrer Rückkehr nach Wien 1916 über dem Theater an der Wien ein Atelier ein, das bis zu ihrer Vertreibung im Jahr 1938 ihre Arbeitsstätte und das angrenzende Apartment ihre Wohnung bleiben sollte. Joseph von Simon machte sie zudem mit KünstlerInnen und Mitgliedern der Wiener Gesellschaft bekannt. Sie verkehrte aber auch in emanzipierten Frauenkreisen, zu denen auch ihre Cousine, Alice Schalek (1874-1956), Journalistin, Fotografin, Autorin und frühe Feministin, gehörte.

Ihren Lebensunterhalt verdiente sich Malva Schalek als freischaffende Porträtmalerin, die keiner Künstlergruppe angehörte oder künstlerischen Richtung zuzuordnen war. Bereits im Jahr 1919 schieb der Autor Max Milrath in einem Artikel mit dem Titel “Malva Schalek” in der Zeitschrift “Ost- und West: Illustrierte Monatsschrift für das gesamte Judentum”: “Unter den Wiener bildenden Künstlerinnen ist Malva Schalek heute eine der bedeutendsten”, sie steht “in der vordersten Reihe der österreichischen Porträtisten.” Zu den von ihr Porträtierten gehörten der Schauspieler Max Pallenberg und die Feministin Rosa Mayreder (ihr Porträt ist verschollen). Neben Porträts malte sie Interieurbilder und Stillleben. Im Jahr 1937 wurde in ihrem Atelier von der Vereinigung berufstätiger Frauen eine vielbeachtete Ausstellung veranstaltet, in der ausschließlich Porträts von berufstätigen und künstlerisch tätigen Frauen gezeigt wurden.

Sie lebte und arbeitete bis 1938 in Wien. Ihre Sommer verbrachte sie in Aussig, Türmitz und Bad Ischl. Nach dem Einmarsch der Hitler-Truppen in Österreich, dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 und der sofort einsetzenden massiven Verfolgung musste sie das Land verlassen, wobei sie nicht nur das Atelier, sondern auch die darin befindlichen Werke zurücklassen musste. Gemeinsam mit ihrer verwitweten Tante Emma Richter und ihrer Haushälterin floh sie vor den Nationalsozialisten in das Sudetenland nach Leitmeritz zu ihrem Bruder Robert Schalek. Das war aber noch nicht das Ende ihrer Flucht. Nach der Besetzung des Sudentenlandes im März 1939 durch deutsche Truppen und der Annexion an das Deutsche Reich als Protektorat Böhmen und Mähren ging sie nach Prag. Dort hat sie unter sehr schwierigen Verhältnissen ihre Arbeit fortgesetzt.

Im Jahr 1942 wurde sie im Alter von 60 Jahren im Lager Theresienstadt, in der Hamburger Kaserne, die vorwiegend als Unterkunft für Frauen diente, interniert. Auch im Lager hat sie unter schwierigsten Bedingungen und trotz großer gesundheitlicher Probleme im Geheimen mit Bleistift, Kohle und Wasserfarben weitergearbeitet und in ihren rund 140 Zeichnungen und Bildern das Leben und Sterben im Lager Theresienstadt dokumentiert. Da sie sich geweigert hat, das Porträt eines Arztes anzufertigen, der mit den Nationalsozialisten zusammenarbeitete, wurde sie am 18. Mai 1944 nach Ausschwitz deportiert und dort ermordet. Ihre Zeichnungen wurden nach der Befreiung in einem Versteck gefunden und befinden sich heute zum überwiegenden Teil in der Kunstsammlung des Hauses der Ghettokämpfer im Kibbuz Lochamej ha Geta’ot in Israel.

Malva Schalek, Anstellen für Essen in Theresienstadt. Quelle: Ghettos Fighters House, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Queue_for_food.jpg

Von ihren Gemälden sind heute nur mehr wenige erhalten; nur rund ein dutzend Bilder konnten ausfindig gemacht werden, viele bleiben verschollen. Da Malva Schalek von vielen ihrer Bilder Postkarten anfertigen ließ, ist die Erinnerung an weitere Bilder wenigstens über dieses Medium erhalten geblieben.

Heute erinnert in Wien ein nach ihr benannter Gemeindebau an diese große Künstlerin.

Schrifttafel, Gemeindebau, Dürergasse 5, 1060 Wien.
Foto: Elisabeth Kolbry

Bei der Recherche, bei der ich immer wieder auf unvollständige und widersprüchliche Angaben gestoßen bin, haben besonders die Aufzeichnungen der Historikerin Dr. Catherine Stodolsky, ihrer Großnichte, geholfen, die Lebensgeschichte von Malva Schalek nachzuzeichnen.

Link: Nizza Thobi, Ein Koffer spricht (7:55 min): In diesem Kurzvideo sind ein Lied zu hören und Bilder und Zeichnungen von Malva Schalek zu sehen: https://www.youtube.com/watch?v=jsmrr_70YDk

Wanderausstellung: In Deutschland hat der Publizist Ralf Pasch in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Kulturforum östliches Europa die Wanderausstellung “Die Schaleks – eine mitteleuropäische Familie. Fünf Biografien erzählen 100 Jahre Geschichte” gestaltet. In dieser Wanderausstellung wird die Geschichte Mitteleuropas im 20. Jahrhundert anhand von 5 Biografien von Mitgliedern der deutsch-jüdisch-tschechischen Familie Schalek erzählt. Dazu gehört auch die Lebensgeschichte von Malva Schalek. Die Wanderausstellung wurde seit 2018 in mehreren Orten in Deutschland, der Tschechei und in Österreich an der Universität Wien gezeigt.

Kurzdokumentation: “Die Schaleks. Zwischen den Fronten”. Für diese Wanderausstellung wurde eine sehr interessante Kurzdokumentation gestaltet, die im Internet abrufbar ist (8:58 Minuten): https://www.youtube.com/watch?v=exb99HuBVCo

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