Marie Franzos

Marie Franzos

Übersetzerin und Kulturvermittlerin

Gibt man den Namen Marie Franzos in Google ein, wird auch heute noch eine Vielzahl an von ihr übersetzten Büchern angezeigt, darunter die einzige autorisierte deutsche Originalausgabe der Werke der Nobelpreisträgerin Selma Lagerlöf. Wer war diese Frau, deren Name trotzdem heute weitgehend unbekannt ist?

Marie Franzos
(Bildquelle: Friedländer)

Marie Franzos (1870-1941) wurde in Wien geboren und wuchs in einer gutbürgerlichen jüdische Familie auf. Ihr Vater Max Franzos (1826-1893) war Rechtsanwalt und Präsident des Verwaltungsrates der Papierfabrik Steyrermühl. Ihre Mutter Bertha, geborene Ostersetzer (1850-1932), war Übersetzerin englischsprachiger Bücher ins Deutsche. Über die ersten Jahre von Marie Franzos ist uns nichts bekannt. Allerdings ist überliefert, dass sie im Wiener Verein zur Abhaltung akademischer Vorträge für Damen die Staatsprüfung für Französisch abgelegt hat und danach, etwa um 1895, begonnen hat, sich mit den skandinavischen Sprachen zu beschäftigen und diese zu erlernen. Ab 1895/1896 bis zum Jahr 1938 war sie als Übersetzerin tätig und hat in dieser Zeit 112 Bücher von 33 SchriftstellerInnen aus dem Schwedischen, Dänischen und Norwegischen ins Deutsche übersetzt.

Alleine der Umstand, dass sie als selbständige Übersetzerin tätig war, die sowohl für den unternehmerischen Teil ihrer Arbeit, d.h. für die Beschaffung der Aufträge für die Übersetzungen, die Verträge mit den AutorInnen und Verlagen, die Verhandlungen über die Honorare, die Kontakte zu den Zeitschriften und Verlagen für die Veröffentlichung der Werke und den Aufbau eines großen Netzwerkes an AutorInnen und Verlegern, als auch für die inhaltliche Qualität ihrer Arbeit Verantwortung übernommen hat, ist für eine Frau, die Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts lebte, ist an sich schon eine bemerkenswerte Leistung.

Dabei musste sie ihre Arbeit bis etwa 1912 unter dem männlichen Pseudonym Francis Maro veröffentlichen; ihre erste Übersetzung, ein Essay zum Thema Humor und Satire von Per Hallström erschien 1895 noch anonym in einer Wiener Zeitschrift. Erst ab 1913 erschienen ihre Übersetzungen unter ihrem eigenen Namen. Sie machte sich als Übersetzerin von Prosatexten einen Namen, übersetzte sowohl literarische als auch nichtliterarische Werke, Romane, Novellen, literarische Skizzen, Theaterstücke, Essays und Aufsätze. Der Aufbau eines großen Netzwerkes, ihre zunehmende Bekanntheit und die besondere Qualität ihrer Übersetzungen und die konstruktive Zusammenarbeit mit den AutorInnen ermöglichten es ihr – trotz einer großen Konkurrenz an ÜbersetzerInnen – viele Aufträge zu erhalten. Sie war Übersetzerin so bedeutender AutorInnen wie Selma Lagerlöf, die als erste Frau den Nobelpreis für Literatur erhalten hat; Per Hallström, der zweimal für den Literaturnobelpreis nominiert war; des Schriftstellers Hjalmar Söderberg und der Reformpädagogin und Schriftstellerin Ellen Key und August Strindberg.

Ihre hervorragende Bedeutung war, dass sie Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit ihren Übersetzungen die Werke der skandinavischen SchriftstellerInnen dem deutschsprachigen Publikum nähergebracht und ihm zu einer Beachtung durch die Literaturkritik verholfen hat. Darüber hinaus war sie nicht nur Übersetzerin, sondern auch aktive Vermittlerin der skandinavischen Literatur im deutschsprachigen Raum, indem sie diese durch Vorträge und Konferenzen zum Thema skandinavische Literatur bekannt machte. Dafür wurde ihr als erster Preisträgerin, die für ihre übersetzerische und kulturvermittelnde Leistung ausgezeichnet wurde, vom König von Schweden und Norwegen im Jahr 1905 die Goldene Medaille “Litteris et Artibus” verliehen. Für ihre Verdienste als Übersetzerin erhielt sie 1933 einen Preis der Marianne Hainisch-Stiftung.

Die gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen, vor allem der 1. Weltkrieg und der in den 1930er Jahren aufkommende Nationalsozialismus, hatten auch auf ihre Arbeit große Auswirkungen. Bereits der Erste Weltkrieg bedeutete für ihre Arbeit einen enormen Einschnitt. Zensurbestimmungen und fehlende Postverbindungen bedeuteten erhebliche Schwierigkeiten in der Kommunikation mit den AutorInnen und nicht realisierte oder verzögerte Buchprojekte.

Viel schwerwiegender war für die Jüdin Marie Franzos jedoch das Erstarken des Nationalsozialismus in Deutschland und der Anschluss Österreichs im März 1938 an das Deutsche Reich und die danach sofort einsetzende Judenverfolgung. Schon in den 1930er Jahren hatte sie zunehmend weniger Aufträge erhalten und finanzielle Probleme. Im Jahr 1938 wurden ihr alle Übersetzungsarbeiten verboten. Da dies den Ausfall eines Großteils ihrer Einkünfte bedeutete, versuchte sie, dieses Verbot zu umgehen, indem sie Bekannte ersucht hat, unter deren Namen übersetzen zu dürfen. Unterstützt wurde sie in dieser Zeit besonders von den schwedischen Autoren. So verzichteten Per Hallström und Hjalmar Söderberg auf ihren Anteil an Autorenhonoraren; Per Hallström setzte sich dafür ein, dass sie von der Schwedischen Akademie ab 1939 eine finanzielle Unterstützung erhielt.

Marie Franzos versuchte, in die Schweiz zu emigrieren. Nachdem ihr die Ausreise in die Schweiz verweigert wurde, nahm sie sich 1941 das Leben.

Geblieben sind uns bis heute ihre Übersetzungen.

Quelle/Link: http://www.uelex.de/artiklar/Marie_FRANZOS

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